Ukraine, Polen

Armes Land

Fahrrad Kilometer: 310 Kilometer

Verdrehte Handschuhe

Der Grenzübergang zur Ukraine verläuft ohne Warten und ohne Probleme, aber nur weil es eine extra Linie hat nur für Fahräder. Der Ukrainische Grenzbeamte kommt aus dem Häusschen geblitzt und schimpft mit mir, ich solle nicht die Grenztafel besteigen. Die Strassen vor und nach der Grenze sind immer ausgezeichnet. Was erwartet mich einige Kilometer später? Ist es besser oder gleich wie in Polen? Zu meinem Schreck wird es noch viel schlimmer. In Polen werden die Löcher und Risse noch aufgefüllt mit flüssigem Teer, aber in der Ukraine lässt man es einfach sein. So kommt es, dass ich im Slalom um die Löcher fahren muss. In den Rückspiegel muss ich nicht immer schauen, denn die Autos und Lastwagen fahren auch langsam und schlängeln sich kreuz und quer über die Strassen. Es ist wie eine verkehrte Welt, Polen scheint noch ein reicheres Land zu sein, was man von der Ukraine nicht behaupten kann. Man sieht es nicht nur den Strassen an. Die Preise in den Läden sind für uns ein Jauchzer. Die Bauern besitzen keine Traktoren, sie transportieren das Getreide, Heu und sonstiges mit Wagen und Pferd. Es hat viele Trabis und keine Mercedes oder BMWs. Ein normal Verdienender kommt auf gute 150 Euro im Monat, ein Besserer auf etwa 400 Euro. Doch die meisten armen Leute teilen ihr Hab und Gut mit den Leuten, die sie mögen. So sehe ich ein Mann mit einer Schubkarre voller Gurken. Ich dachte, er geht von Haus zu Haus und verkauft diese, so händige ich ihm ein Gelschein aus. Anstatt den Geldschein entgegen zu nehmen, händigt er mir noch mehr Gurken aus. Ich sage höflich nein, weil es sehr schwer ist, diese auf meinem Velo zu transportieren. Als Auffrischung schöpft er für meine leeren Wasserflaschen Wasser aus seinem Ziehbrunnen, gibt mir noch etliche Birnen, Pflaumen und Kartoffeln mit auf den Weg.

Ein paar Jugendliche fragen mich, was ich von Putin halte. Zum Glück sage ich die richtige Antwort, ansonsten hätten sie mich bestimmt gelyncht. Sie tätowieren Hakenkreuze auf ihre Brust und schweifen ihre Hände zu einem „hi Hitler“-Gruss. Viele scheinen gegen Putin zu sein, aber es gibt auch viele die für ihn sind. Anscheinend ist die ganze Geschichte zwischen der Ukraine und Russland recht kompliziert, nicht das was wir von den Medien kennen. Jemand sagt, es stünde in den russischen News, dass auch der Westen der Ukraine im Krieg stehe. Die russische Regierung will der Bevölkerung einfach zeigen, dass Russland immer noch das grösste Land der Welt ist und wollen dass die Leute denken es sei auch das Mächtigste.

1. August Feier

Am Schweizer Nationaltag erkämpfe ich mich zu einem höheren Zeltplatz mit Sicht über das ganze Land. Zuvor klopfe ich an einem Haus, um meinen Duschsack mit Wasser auf zu füllen. Sie fragt mich, ob ich Hunger habe. Ich dachte, sie bringt einfach ein paar Kekse oder so. In wenigen Minuten steht vor mir eine heisse Suppe mit Butterbrötchen belegt mit Gurken, daneben Käserollen. So muss ich nicht mehr kochen und kann die Gegend oben auf dem Hügel geniessen und mit meinem Gleitschirm im Wind spielen. Für ein Flug bin ich zu müde. Am nächsten Tag ist der Wind zu stark! Als 1. August Feuer zünden sie extra für mich ein paar geerntete Getreidefelder in weiter Ferne an.

Ich besuche die Stadt Lviv (Deutsch: Lemberg). Niste mich in ein günstiges (5€) Hostel ein. Es ist eine riesige Stadt, die von vielen Touristen besucht wird. Schlafen kann ich nicht, weil laute Musik von der Strasse ins Zimmer weht. So fahre ich müde weiter, schlafe fast ein. Vor der Grenze zweige ich auf eine ruhige Strasse ab. Es hat wahrscheinlich keine Autos, weil es hier die grössten Löcher hat. Zum Teil hat es tiefe Furchen im Asphalt von all den schweren Lastwagen, die darüber donnern. Bei hübschen Girls kaufe ich ein Sack voller Kekse für nur 40 Rappen! Wenig später, wegen der Hitze, kaufe ich mit den restlichen ukrainischer Geldnoten 1 Liter Fanta und ein Eis für nur 50 Rappen!! Münzen hab ich nie angenommen, weil ein Griwna (1 Notenschein) vier Rappen ist. Also ist ein Cent 0.0004 Rappen!!! Hmmm, hab ich richtig gerechnet?

Vor der Grenze übernachte ich nochmals an einem schönen Flüsschen, welches in Polen entspringt. Früh am Morgen erreiche ich den Zoll. Es hat viele Tankstellen und Shops, die ihre Ware für ein paar Cents anbieten. Dieser Grenzübergang verläuft völlig anders. Da normalerweise keine Fussgänger bzw. keine Fahrräder passieren dürfen, muss ich mich an einem Auto anhängen. Mein Pass wird von Büro zu Büro gereicht und dauert über eine Stunde.

Schönes Polen

Polen erwartet mich viel schöner, als das ich mir es gewohnt war. Ich meinte ich schwebe auf Himmelstrassen, sauberer, glatter Asphalt. Die Hügel lächeln mir zu und warten darauf erklommen zu werden. Am Anfang ist es noch flach, schlängelnd durch die Landschaft, doch dann rinnen mir nur noch so die Schweissperlen runter. Von einem Hügel zum nächsten geht es bis Cisna wo ich frühzeitig Feierabend mache. Unterwegs besuche ich die schönste Kirche, die ich je gesehen habe. Im Innern der Kirche ist alles aus Holz gebaut und geschnitzt. Sie wurde im Jahre 1932 gebaut und ist eine griechisch-römische Kirche. In Cisna wähle ich den richtigen Camping, weil um 20 Uhr starten sie ein Lagerfeuer. Ich kaufe mir nicht ein Steak, sondern grad vier. Einzelne Stücke kann man eh nur bei Metzgern finden. Fast beschämend grilliere ich als Einziger teure Steaks (alle vier für 4€) auf dem runden Rost. Alle anderen haben billige Würstchen oder nur Brot mit Käse. Erstaunlich ist, dass alle Camping Gäste kommen, etwas grillieren, zusammen sitzen und dann noch alle zusammen polnische Lieder singen. Bei uns wird blöd geguckt, wenn jemand singt oder wir können gar nicht singen geschweige denn all die Songs auswendig kennen. Wieviele Leserinnen und Leser meiner Berichte können zum Beispiel das Lied „Es Buurebüebli mahni nid….“ auswendig? Ihr könnt eine Stimme abgeben, in dem ihr weiter unten einen Kommentar eintippt. :-)

Noch ein schöner heisser Sommer wünscht Euch

Stephan